Cosco: Hamburg setzt ganz auf China (2024)

Ein Staatsunternehmen aus China will sich am Hamburger Hafen beteiligen, doch zahlreiche Ministerien sind dagegen. Der Bundeskanzler will das Geschäft nun durchdrücken.

Eine Analyse von Christoph Twickel

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In der Bundesregierung tut sich ein grundsätzlicher Konflikt auf zwischen Kanzler Olaf Scholz und mehreren Ministerien, darunter dem von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsressort. Es geht um die Frage, ob sich ein Staatsbetrieb aus China an einem Terminal im Hamburger Hafen beteiligen darf und ob es sich dabei um eine Gefährdung kritischer Infrastruktur durch einen autoritären Staat handelt. Die wichtigsten Fragen:

Was für ein Unternehmen ist Cosco?

Die chinesische Reederei Cosco Shipping will sich mit 35 Prozent am Tollerort-Containerterminal im Hamburger Hafen beteiligen. Den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns hatte Hamburg schon im September 2021 verkündet – doch die Beteiligung muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Das Terminal, vis-à-vis vom Hamburger Fischmarkt, gehört bisher zu hundert Prozent der mehrheitlich städtischen HHLA (Hamburger Hafen und Logistik AG).

Das Unternehmen Cosco ist mit drei Millionen TEU Transportkapazität die weltweit drittgrößte Containerreederei, sie betreibt weltweit 50 Terminals. Laut Eigenauskunft auf der Cosco-Website hat man sich zum Ziel gesetzt, "ein weltweit führendes Unternehmen zu schaffen, das integrierte Logistik- und Lieferkettendienstleistungen anbietet". Cosco und Töchterunternehmen sind bereits an 14 europäischen Häfen beteiligt, Hamburg wäre die letzte Beteiligung in einer Kette von Cosco-Engagements, die von Rotterdam über Bilbao bis ins italienischen Vado reicht.

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Wer ist für, wer ist gegen den Anteilsverkauf an Cosco?

Für den Verkauf sind vor allem die Hamburger Hafenwirtschaft und die sozialdemokratisch geführte Regierung der Stadt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich gegen den Einstieg der Chinesen im Hamburger Hafen ausgesprochen – China könne Einfluss auf den Handel nehmen, deshalb neige sein Ministerium dazu, "dass wir das nicht erlauben", erklärte Habeck Mitte September. Bedenken seien auch aus fünf weiteren Ministerien gekommen, vermeldeten WDR und NDR. Alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, hätten das Geschäft abgelehnt. Daraufhin habe das Kanzleramt interveniert und die Fachressorts dazu angehalten, einen Kompromiss auszuarbeiten, um das Geschäft zu ermöglichen.

Am Donnerstag sprach sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gegen einen Teilverkauf des Hamburger Hafens an einen chinesischen Staatskonzern aus. "Keine kritische Infrastruktur in Deutschland soll unter die Kontrolle der chinesischen Regierung kommen", sagte er in Washington, "das ist eine Frage der Unabhängigkeit."

Die Stimmung im politischen Berlin sei angesichts der Erfahrungen mit dem russischen Gasgeschäft "massiv antichinesisch", sagt Axel Mattern, Vorstand der Hamburger Hafen Marketing, der in den vergangenen Wochen versucht hat, bei den Parteien für den Cosco-Einstieg zu werben. "Aber Scholz kennt die Detailsituation – es ist eine Minderheitsbeteiligung am kleinsten Containerterminal und kein geeignetes Beispiel, um ein Exempel zu statuieren." Angebahnt hatte Hamburgs Hafengesellschaft den Cosco-Einstieg noch in der Zeit, als Bundeskanzler Olaf Scholz Bürgermeister von Hamburg war.

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Was bringt eine Beteiligung für Hamburg?

Die Hamburger Hafengesellschaft verspricht sich von der chinesischen Beteiligung "nachhaltige Planungssicherheit" für ihr Containerterminal. Wenn Cosco Miteigentümer ist, so das Argument, werde der norddeutsche Hafen zum preferred hub, also zum bevorzugten Umschlagplatz. Es gehe darum "eine noch effizientere Verzahnung der chinesischen Logistikströme in Hamburg erfolgreich zu sichern", erklärte Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA, als im September 2021 der Tollerort-Einstieg verkündet wurde. Sprich: Als Belohnung für den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns winken mehr Container für den Hamburger Hafen.

Seit 1982 bereits fahren chinesische Containerschiffe das Tollerort-Terminal an. Laut Angaben der HHLA kommt heute schon fast jeder dritte Container, der in Hamburg umgeschlagen wird, aus China oder ist für den chinesischen Markt bestimmt – jährlich etwa 1,2 Millionen Container. Sollte der Cosco-Einstieg platzen, befürchtet man in Hamburg, dass die Chinesen auf andere Häfen ausweichen – etwa Rotterdam, oder den Jade Weser Port, wo ein chinesisches Logistikunternehmen gerade ein 100 Millionen Euro teures Logistikzentrum gebaut hat. Eine Ablehnung des Cosco-Deals wäre "eine schwere Belastung für den Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende Benachteiligung Hamburgs gegenüber Rotterdam und Antwerpen, in denen Cosco bereits Terminal-Anteile besitzt", erklärt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher.

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Was spricht für eine Beteiligung?

Der chinesische Staatskonzern erhält keine Konzessionen über Hafenanlagen oder Exklusivrechte, sondern nur eine Minderheitsbeteiligung an einer Container-Gesellschaft. Die Hamburger argumentieren daher, der Cosco-Einstieg sei keinerlei Gefährdung für die kritische Infrastruktur. "Weder China noch andere Länder sollten Zugriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland haben" erklärt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher. "Grund und Boden im Hamburger Hafen bleiben daher vollständig in öffentlicher Hand. Auch der Betrieb des Hafens insgesamt liegt zu 100 Prozent bei der städtischen Hamburg Port Authority."

Die Hamburger Hafengesellschaft besteht darauf, dass sie "die alleinige Kontrolle über alle wesentlichen Entscheidungen" betreffs des Terminals behalte, dass es für andere Kunden offen bliebe und dass Cosco "keinen Zugriff auf strategisches Know-how" erhalte. Wenn die Bundesregierung den Cosco-Einstieg verhindere, sei das für die Chinesen ein Affront, den das ganze Land zu spüren bekäme, argumentiert Hamburg-Lobbyist Axel Mattern. "Man muss verstehen, wie die Chinesen ticken. Sie würden Deutschland als Ganzes blamen und ihre Container über andere Häfen routen."

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Was spricht gegen Cosco?

Bislang hatte man in Hamburg ausländischen Beteiligungen im Hafen stets eine Abfuhr erteilt. Denn Hafenanlagen gelten als kritische Infrastruktur, über die auswärtige Mächte keinen Einfluss haben sollten. Und Cosco ist ein Staatskonzern, der sich strategisch nach den Wünschen der repressiven chinesischen Regierung ausrichtet.

Was passieren kann, wenn man es sich mit den Chinesen verdirbt, haben die Litauer im Winter 2021/2022 erfahren: Als in Vilnius eine Botschaft Taiwans eröffnete – ein Land, das China nicht anerkennt und für sich beansprucht – reagierte die chinesische Regierung mit Handelsboykotten für litauische Unternehmen.

Ein anderes Beispiel ist der griechische Hafen Piräus, bei dem Cosco inzwischen 67 Prozent der Anteile der örtlichen Hafengesellschaft hält und eine Konzession für den Containerumschlag übernommen hat. Seit 2009 ist Cosco in Piräus im Geschäft, 2016 hatte der Staatsbetrieb für knapp 300 Millionen Euro 51 Prozent von der Hafengesellschaft erworben. Piräus soll Chinas Hub für Südeuropa werden. Als protestierende Flüchtlinge 2016 im griechischen Idomeni Zuggleise besetzten und damit eine der wichtigsten Nord-Süd-Transportstrecken des Balkans blockierten, um auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen, intervenierte der chinesische Botschafter beim griechischen Präsidenten Alexis Tsipras. Er verlangte die Räumung der Strecke und des Flüchtlingscamps, weil die Containerschiffe anfingen, Piräus zu meiden und auf andere Häfen auszuweichen. Tsipras, ein Linker, gehorchte und ließ räumen.

Gegen eine Beteiligung von einem Unternehmen wie Cosco spricht zudem die Wettbewerbsverzerrung: Cosco profitiert als Staatsbetrieb erheblich von chinesischen Subventionen. Für deutsche und europäische Unternehmen gilt das in diesem Ausmaß nicht.

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Cosco: Hamburg setzt ganz auf China (2024)

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